ZKF

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Samstag, 29. Oktober 2016

Interview mit der Fahrzeug+Karosserie 10/2016

F+K: Wie bewertet der ZKF die derzeitige Situation in der Schadensteuerung? Ist sie gut oder schlecht für die Betriebe und warum ist das so?
Börner: Sie ist gut für die Auslastung, schlecht für die Freiheit der Betriebe. Die derzeitige Situation zeigt volle Auftragsbücher, hohe Auslastung und lange Vorlaufzeiten. Das alles bei hohen Umsätzen und relativ geringen Erträgen. Die Situation verschärft sich allerdings von Monat zu Monat. Die Versicherer verdienen mit Finanzgeschäften und -anlagen kein Geld mehr und sparen aus diesem Grund an allen Stellen. Die Schadenlenkung muss deshalb aus Sicht der Versicherer zunehmen und die Schadenkosten müssen generell gesenkt werden, die fiktive Abrechnung wird dem Kunden mithilfe von Apps schmackhaft gemacht. Aus dem Blickwinkel der Betriebe ist eine „frei Haus“ gelieferte hohe Auslastung gut, die Abhängigkeit an den Schadenlenkern macht mir aber mit den oben genannten Fakten derzeit große Sorgen.

F+K: Noch vor einigen Jahren hielt man es für nicht möglich, dass Versicherer Haftpflichtschäden lenken - diese Situation ändert sich gerade. Die Netze der Steuerer und Versicherer sind etabliert und werden von den Kunden akzeptiert - laufen wir auf englische oder holländische Verhältnisse hinaus?
Börner: Nein, das sehe ich nicht. Wir sind in einem Land der Autohersteller, mit starken Vertriebsnetzen und einem mittelständigen Reparaturhandwerk mit unternehmergeführten Betrieben. Sicherlich gibt es Entwicklungen, indem die Versicherung den Haftpflichtkunden in eine bestimmte Werkstatt lenkt, mittelfristig sehe ich aber hier keine großen Verschiebungen. Von unseren 11 Millionen Schäden pro Jahr in Deutschland, sind rund 40% fiktive Abwicklungen, 20% Totalschäden und 16% gelenkte Schäden. Das bedeutet, rund ein Viertel von 11 Millionen Schäden sind ungelenkt und am Markt für die Werkstätten verfügbar. Zusammen mit einem großen Teil der fiktiven Schäden, die am Ende dann doch repariert werden, ist hier ein Markt den es viel erfolgreicher zu bearbeiten lohnt als sich mit dem gelenkten Schaden in eine gewisse Abhängigkeit zu begeben.

F+K: Was sind derzeit die größten Reibungspunkte mit Versicherungen und Schadensteuerern?
Börner: Mit den Versicherungen ist das unsägliche Thema Rechnungskürzung und Zahlungsmoral zu nennen, mit den Schadenlenkern die Themen Prozessdigitalisierung, zusätzliche Services am Kunden und das Ungleichgewicht zwischen Werkstatt und Schadenlenker. Nach wie vor sehe ich durch die Gründung des BVdP den ZKF in einer fast befreiten Situation dieser Auseinandersetzungen zwischen Schadenlenker und Werkstatt. Das ist auch gut so und übrigens Gründungsgedanke des BVdP. Insoweit ist der ZKF für die Betriebe der Branchenregulierer, der sich um alle Reibungspunkte aus den Werkstätten kümmert, ohne sich in die Vertragsvereinbarungen mit dem Schadenlenker einzubinden. Für die erkannten Reibungspunkte haben wir Lösungen geschaffen, die dem Innungsmitglied enorme Vorteile bieten.

F+K: Die Zahl der Finanzdienstleister für die Betriebe wächst. Gegen einen Obolus können Betriebe ihre Forderungen an solche Dienstleister antreten. Wie steht es aus ihrer Sicht mit der Zahlungsmoral der Versicherungen?
Börner: Ganz unterschiedlich und nicht einheitlich beantwortbar. Es gibt Versicherer, da laufen die Prozesse so, wie man es als Außenstehender auch erwartet. Schnelle Freigaben, gute und fachliche Kommunikation miteinander und am Ende auch faire und schnelle Bezahlung der Rechnung. Wir kennen andere Fälle, auch aus Erfahrung der EUROGARANT AutoService AG heraus, bei denen monatelang auf das Geld gewartet und mehrfach eingefordert werden muss.

F+K: Gibt es im Verband Erkenntnisse über durchschnittliche Außenstände der Mitgliedsbetriebe - in welcher Größenordnung bewegen wir uns da?
Börner: Der ZKF Branchenbericht spricht hier von rund 1,5 Monaten bei einem durchschnittlichen Umsatz von 1,3 Millionen Euro im Jahr, was eindeutig zu viel ist. Der mittelständige Handwerksbetrieb kann nicht der Zwischenfinanzierer der Versicherungswirtschaft sein, dazu ist er auch nicht angetreten.

F+K: Der BVdP hat vor rund zwei Jahren in einer Studie unter den Partnerbetrieben festgestellt, dass diese mit ihrer Arbeit - also dem Stundenverkauf - kein Geld mehr verdienen. Hat sich die Situation aus Ihrer Sicht verändert und in wie fern?
Börner: Wenn wir uns außerhalb der Partnerwerkstätten in unserem Branchenbericht umsehen, dann ist dieser Trend ebenso abzulesen, allerdings nicht so deutlich und alarmierend. Ich interpretiere dies so, dass im ZKF Branchenbericht auch Betriebe ohne Schadenlenkung das Ergebnis prägen. Insoweit können wir feststellen, dass bei Betrieben außerhalb der Schadenlenkung auch der Lohnverkauf Erträge erwirtschaftet. In der Schadenlenkung bleibt tatsächlich an der Stunde kein Ertrag übrig.

F+K: Wie bewertet der Verband die zunehmende Teileversorgung der Betriebe durch Versicherer und Schadensteuerer?
Börner: Noch ist es nicht soweit, dass wir von einer Versorgung reden können. Vielmehr ist es derzeit ein Angebot, welches auch teilweise zum Muss von den Versicherungen und Schadenlenkern ausgelegt wird. Ich sehe aber dunkle Wolken am Horizont, dass dieser Bereich von unterschiedlichen Beteiligten zu einer Versorgung ausgebaut wird. Da entwickeln Unternehmen digitale Prozesslösungen, die der Versicherer sofort zur Teilebestellung nutzen kann: Ware in die Werkstatt, Rechnung zum Versicherer. Sollte dieses Szenario einmal Wirklichkeit werden und der erste Stein ins Rollen kommen, erwarte ich von den Werkstätten einen enormen und entschlossenen Widerstand.

F+K: Wo liegt in dieser Thematik der Unterschied zur Eurogarant Auto Service AG?
Börner: Die EUROGARANT AutoService AG ist vor 18 Jahren gegründet worden, um einen gemeinsamen Ersatzteil-Zentraleinkauf aufzubauen. Dies ist sehr erfolgreich gelungen. Erst später wurden die Bereiche Schadenlenkung für Flotten, Fahrzeugleasing und Werkzeug ergänzt. Der Grundgedanke bleibt, freie Wahl der Ersatzteil-Einkaufsquelle und ein Zwang, bei uns kaufen zu müssen, gibt es nicht. Vielmehr sind wir durch den ZKF als Wirtschaftsverband gegründet worden und handeln streng nach unserer Satzung, den Werkstätten Vorteile zu verschaffen und niemand anderem.

F+K: Immer mehr Betriebe geben die Beträge, die die Versicherungen kürzen nach vorheriger Absprache mit dem Kunden an diesen weiter. Ist dieser Weg zu empfehlen?
Börner: Zunächst sehe ich das nicht so, in Einzelfällen ist dies sicherlich der Fall. Fakt hinter dieser Aktion, die der ZKF in einem seiner ZKF-NEWS Online herausgegeben hat ist, dass die Werkstatt den Kunden über die Methoden der Versicherungen informiert. Mir sind ausnahmslos Fälle bekannt, dass wenn der Kunde sich an seine Versicherung wendet, diese ihm bestätigt, dass es sich im Falle der Kürzung selbstverständlich nur um ein Missverständnis gehandelt hat und man selbstverständlich die Restzahlung anweist. Insoweit ist das unbedingt zu empfehlen, den Kunden mit in das Boot zu nehmen, was der ZKF auch getan hat.

F+K: Wie wurde der Service DfB von den Partnerbetrieben des ZKF angenommen - wie hat sich das Tool entwickelt?
Börner: Wir sind derzeit in der Phase, dass wir die Tests mit den Werkstätten abgeschlossen haben und nun an alle unsere Gesellschafter gehen. Wir haben über 100 Fälle mit den Werkstätten zu 100% abgeschlossen, in rund 20 Fällen klagen wir derzeit die Kürzungen der Rechnungen ein. Auch wenn es unseren Anwälten derzeit keine Freude bereitet, 7 Euro 80 einzuklagen, gehen wir dennoch rigoros diesen Weg der Klage. Unsere derzeitige Erfahrung ist es, dass unmittelbar nach der Klageerhebung sofort die Restzahlung erfolgt. Aus unserer Sicht ein klarer Beweis, dass Rechnungskürzungen von konkret erfolgten Reparaturen rechtswidrig sind.

F+K: Derzeit ist wohl die HUK sehr massiv, wenn es um das Aufstellen von Werbesteelen geht - nach dem Motto: Keine Signalisation - keine gelenkten Schäden! Was kann man den Betrieben raten, die ja in der Regel nicht nur für die HUK arbeiten?
Börner: Hier sehe ich Ungemach auch die Branche zukommen. Schadenlenker A sagt, meine Steele sonst gibt es keine Serviceaufträge, Schadenlenker B sagt, wenn diese Steele von A dann aber auch meine Steele, woraufhin wiederum A sagt, dann keine Schäden mehr von mir. Aus Sicht des ZKF stehen wir genau vor der Situation, vor der unser Hauptgeschäftsführer schon immer gewarnt hat: Eine Entscheidung des Betriebes für Schadenslenker A oder B wird fällig. Damit steigt noch mehr die Abhängigkeit von dem einen oder anderen Schadenslenker. Das kann nicht im Sinne des Berufs- und Wirtschaftsverbandes ZKF sein, dass seine Mitglieder zu Werbeträgern wie in einem Franchisesystem werden.

F+K: Überhaupt hat man das Gefühl, dass Schadensteuerer und Versicherer wieder forscher bei den Betrieben auftreten - stimmt dieser Eindruck mit Ihren Erkenntnissen überein und wie soll sich der Betrieb verhalten?
Börner: Ich glaube, die Schadenlenkung steht vor einem Umbruch. Um das steigende Volumen, welches die Versicherungen lenken müssen um ihre Einsparziele zu erreichen, gibt es zu wenige freie Fachwerkstätten. Aus diesem Grund wird der Druck auf die Werkstätten größer, noch mehr zu Konditionen von vor 8 Jahren zu machen. Die weiteren Fachwerkstätten, die für die Schadenlenker passend sind, gibt es aber nicht mehr. Darüber hinaus stellen wir in sozialen Netzwerken und Autofahrer-Blogs im Internet fest, dass eine Missstimmung des Versicherten aufkommt, wenn über sein Fahrzeug und seine Reparatur auf einmal die Versicherung entscheidet. Unsere Mitglieder können somit dem Schadenlenker gegenüber gelassen auftreten, beide haben sich in eine Abhängigkeit begeben.

F+K: Control Expert hat eine App entwickelt, mit deren Hilfe Autofahrer den evtl. Unfallschaden mittels eigens erstellter Fotos kalkulieren lassen können. Was sagt der Verband zu dieser Vorgehensweise und welche Gefahren entstehen dadurch?
Börner: Grundsätzlich stellen wir das gesamte Vorgehen in Frage. Auf Basis von ein, zwei Bildern des Autofahrers kann keiner einen Kostenvoranschlag erstellen. Wenn Control Expert das macht, dann im Auftrag der Versicherung und in welche Richtung die Schadenhöhe dann geht, bleibt zu prüfen. Damit aber noch nicht genug. Aus meiner Überzeugung heraus in diese App der SchadenLaden 2 und vielleicht wird jetzt deutlich, was der ZKF und die AG in der Kooperation vor 2 Jahren verhindern wollte: Wenn Control Expert durch die App heute die Schadenhöhe bestimmt um dem Kunden schnell die fiktive Abrechnung zu ermöglichen, dann wird in wenigen Monaten die Versicherung, wenn der Kunde dann doch in eine Werkstatt geht, fordern: zu diesem Preis, ja oder nein. Ebenso wird im Falle der Reparatur mithilfe des Datenaustausches die Ersatzteilbestellung durch die Versicherung nur ein Mausklick. Die Kalkulationshoheit muss bei der Werkstatt oder des Sachverständigen bleiben, die Ersatzteilbestellung durch die Werkstatt ist nicht verhandelbar.

F+K: Danke für das Gespräch