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Donnerstag, 8. Oktober 2015

Es muss jedem bewusst sein, dass ein Servicekunde einen ganz anderen Anspruch als ein Unfallkunde hat

Über das Konzept "Service-Select" wird derzeit viel diskutiert. Das Standox Portal Lackextra bat mich deshalb zum Interview zum Thema:

Mit seinem Konzept „Service-Select“ macht der Versicherungsriese HUK-Coburg ernst mit der Servicesteuerung in der Autoreparaturbranche. Über den Vorstoß wird derzeit viel diskutiert – zu Recht, sagt ZKF-Präsident Peter Börner im Lackextra-Interview. Denn er sieht durch Servicesteuerung große Herausforderungen auf die Werkstätten zukommen.

Lackextra: Herr Börner, der ZKF hat sich früh zu „Service-Select“ geäußert. Welche Gefahr sehen Sie für die Reparaturbetriebe?

Peter Börner: Wir sehen hier den Vorstoß eines großen Marktplayers, der bei unseren Werkstätten nicht nur in der Lenkung von Unfallschäden, sondern auch von Service- und Inspektionsaufträgen zum Großkunden wird. Dadurch können Abhängigkeiten der Partnerwerkstätten entstehen, die problematisch sind. Darüber hinaus muss die Werkstatt wissen, welche veränderte Kundenfrequenz sie erwartet. Es ist zudem davon auszugehen, dass umgehend umfängliche und intensive Werkstatttests durch unterschiedliche Organisationen folgen werden.

Lackextra: Auch andere Marktteilnehmer, zum Beispiel Autohersteller, haben Konzepte, um eine Servicesteuerung zu etablieren. Was macht den HUK-Vorstoß so besonders?

Peter Börner: Dass es eben kein Automobilhersteller ist, sondern eine Versicherung, und die hat zunächst mit der Inspektion und Wartung von Fahrzeugen nichts zu tun. Verfolgt man aber die Gesamtstrategie der HUK-Coburg, wird deutlich, dass ihre Wettbewerber nicht nur andere Versicherungen, sondern auch Autohersteller mit ihren Vertriebsorganisationen sind. Man will einerseits die Versicherungskunden im Bereich Fahrzeug vollumfänglich bedienen und andererseits die Werkstätten mit den Bereichen Mechanik und Elektronik fördern.

Lackextra: Lässt sich die Servicesteuerung noch aufhalten?

Peter Börner: Es besteht kein Anlass, diese Entwicklung aufzuhalten. Eine große Leasing- oder Fuhrparkflotte muss gesteuert und organisiert werden. Der Fahrzeughersteller bietet über seine Finanzdienstleistung Service und Wartung mit der Leasingrate an. Dies geschieht schon seit Jahren und ist für den Kunden nur von Vorteil. Wirklich besonders ist im vorliegenden Fall, dass eine Versicherung eingreift und dies mit Partnerwerkstätten aufzieht, die aus dem Fachbereich der Karosserie- und Lackreparatur kommen.

Lackextra: Wie wird sich dies auf die Reparaturbranche auswirken?

Peter Börner: Der Eingriff eines Marktgiganten in bestehende Strukturen kann nur über den Preis erfolgen, um dem Autofahrer einen Vorteil bieten zu können. Doch bei einem Erfolg des HUK-Coburg-Projekts werden andere Versicherungen nachziehen. In absehbarer Zeit wird somit der gesamte Markt aufgemischt, und am Ende bieten alle wieder vergleichbare Leistungen. Doch ob dann für die Werkstätten noch auskömmliche Renditen möglich sind, muss bezweifelt werden.

Lackextra: Welche Werkstätten werden profitieren, welche verlieren?

Peter Börner: Nach meiner Einschätzung gehören qualifizierte freie Betriebe wegen neuer Kunden und neuer Aufträge zunächst zu den Gewinnern. Doch die Vertragswerkstätten werden zweifellos Gegenmaßnahmen ergreifen, so dass der Wettbewerb heftiger wird. Mittel- und langfristig wird entscheidend sein, ob in den Werkstätten noch Erträge erwirtschaftet werden. Und dazu gehören auskömmliche Stundenverrechnungssätze.

Lackextra: Wie können sich Werkstätten auf Servicesteuerung einstellen? Welche Abläufe verändern sich?

Peter Börner: Das sehe ich als den aufwendigsten Prozess. Wenn wir von minimal zwei produktiven Mitarbeitern im Inspektions-Service ausgehen, müssen acht bis zwölf Auftragsdurchgänge am Tag erfolgen. Das bedeutet: zwölf Kunden am Morgen, zwölf Kunden am Abend, zwölf komplette Teilebestellungen und bei Fehlteilen oder nachträglich benötigten Teilen eine unmittelbare Versorgung mit Ersatzteilen. Es muss auch jeder Werkstatt bewusst sein, dass ein Servicekunde einen ganz anderen Anspruch als ein Unfallkunde hat. Hinzu kommen Parkplätze, Arbeitsplätze, Werkzeuge, Diagnose-Tools und Weiterbildungen im Bereich Mechanik und Elektronik. Jede Werkstatt muss genau prüfen, ob sie die Voraussetzungen dafür erfüllt.

Lackextra: Welche Maßnahmen ergreift der ZKF?

Peter Börner: Wir im ZKF sehen neben der Aufklärung unserer Mitglieder derzeit keinen direkten Anlass, Maßnahmen zu ergreifen. Unsere Mitglieder sind durchaus in der Lage, dieses Angebot sorgfältig zu prüfen und mit ihren Gegebenheiten abzustimmen. Wir bieten aber seit Jahren viele Weiterbildungsmaßnahmen zur Qualifizierung der Mitarbeiter/innen an und beraten die Betriebe zum Beispiel in handwerksrechtlichen Fragen.

Lackextra: Und welche Konsequenzen hat die Servicesteuerung für die Autofahrer?

Peter Börner: Vom Preis her positive. Von der Qualität der Arbeit her keine, denn die muss immer stimmen. Der Autofahrer wird neben der Vertragswerkstatt einen weiteren Werkstatttyp kennenlernen, der ebenfalls einen besonderen Service bieten kann. Somit wird das Angebot für ihn größer, seine Auswahl breiter.

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