ZKF

ZKF

Mittwoch, 8. Juli 2015

Abzocke oder Designschutz?

Heute bei FOCUS Online, ein sehr interessanter Artikel rund um das Thema Ersatzteile und den Markt der freien Werkstätten. Hier der Link und nachfolgend der Originaltext.

Ersatzteil-Monopol: Als Autofahrer bezahlen Sie 40 Prozent zu viel
Sonntag, 05.07.2015, 13:32 · von FOCUS-Autor Wolfgang Gomoll und FOCUS-Online-Redakteur Sebastian Viehmann:

Wenn die Reparaturklausel fällt, könnten die Original-Ersatzteile bald Ladenhüter sein. Die Ersatzteile bringen etwa 20 Milliarden Umsatz pro Jahr.

Wer bestimmte Ersatzteile für Audi, Mercedes und Co. kauft, zahlt einen kräftigen Aufschlag. Die Autobauer berufen sich auf den Schutz des geistigen Eigentums und wollen an der Regelung festhalten. Das treibt die freien Ersatzteil-Händler auf die Barrikaden.

Ein Auto zu fahren, ist kein billiges Vergnügen. Die Gesamtkosten sind happig, einen wesentlichen Teil davon verschlingen natürlich die Spritkosten und die Wartung. Vor allem wenn es an die Reparatur des Fahrzeugs geht, will man möglichst viel Geld sparen. Viele Autobesitzer sehen nicht ein, deutlich mehr für Bremsbeläge zu zahlen, nur weil vier Ringe, ein weißer Propeller oder ein Stern auf dem Karton aufgedruckt sind.

Wer etwa beim Online-Auktionshaus eBay nach günstigen Ersatzteilen für sein Auto sucht, wird schnell fündig. Dort gibt es Bremsen und Kupplungen direkt von Zulieferern als Erstausrüster wie LuK oder Sachs zu deutlich geringeren Preisen als bei den Niederlassungen der Autohändler. Allerdings fallen diese "unsichtbaren" Elemente auch nicht unter den so genannten Designschutz. Bei den Karosserieteilen und anderen sichtbaren Elementen sieht die Sache da schon anders aus. Da pochen die Hersteller auf ihr Markenrecht, wollen die Arbeit der Designer gewürdigt wissen und verhindern deswegen, so gut es eben geht, die Produktion passgenauer Ersatzteile durch Dritte. Die Autobauer berufen sich im Wesentlichen dabei auf das Geschmacksmusterrecht. Das wurde verfasst, um ein Design und damit auch geistiges Eigentum vor Nachahmern zu schützen und zu verhindern, dass den Verbrauchern Plagiate, die eine schlechte Qualität haben, angedreht werden.

Aber auch diese Bastion wird belagert. Seit dem Jahr 2004 lag eine Initiative der EU auf dem Tisch, nachdem die Reparaturklausel auch für Kraftfahrzeuge eingeführt werden sollte. Das hätte bedeutet, dass bei Arbeiten an der Karosserie auch Teile von Drittherstellern verwendet werden können. Doch die Verabschiedung dieser Designrichtlinie wurde immer wieder verzögert. Also funktionierte die Lobby-Maschinerie auch in Brüssel. Schon 2007 hatten der EU-Ministerrat und da vor allem die beiden Auto-Nationen Frankreich und Deutschland die Verabschiedung dieser Richtlinie verzögert. Sieben Jahre später war dann der Vorschlag ganz vom Tisch.

Dass sich die Autobauer mit Macht gegen dieses Ansinnen wehren, ist kein Wunder. Immerhin geht es um ein Marktvolumen von rund 20 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Die Automobil-Hersteller nutzen dieses Monopol für Preistreibereien bei Karosserieteilen.

Das sagen die Autohersteller: Für BMW ist das alles ein Teil des normalen Markt-Gebarens: „Wie die anderen OEM ist BMW hier ein Marktteilnehmer", heißt es aus der Münchener Konzernzentrale. Die Abkürzung OEM steht für "Original Equipment Manufacturer" ("Erstausrüster") und bezeichnet in der Automobilindustrie ein Unternehmen, das Produkte unter eigenem Namen in den Handel bringt. "Das Ziel ist es, grundsätzlich unseren Kunden hervorragende Qualität und hervorragenden Service zu einem attraktiven Preis anzubieten", heißt es bei BMW weiter.

Der ADAC hat vor zwei Jahren einmal nachgerechnet. Der Club fand heraus, dass ein VW Golf-Fahrer im Vergleich zum Jahr 2006 rund 40 Prozent mehr bezahlen musste. Auch neuere Zahlen belegen, dass die Schere bei den Ersatzteilen nach wie vor weit auseinanderklafft. Im Dezember 2014 kostete die Motorhaube bei einem Golf 1.6 Liter mit 59 kW / 80 PS, Baujahr 4/2011 in der Vertragswerkstatt 294 Euro plus MwSt., bei der freien Werkstatt waren es 100 Euro weniger. Dieser Trend setzt sich auch bei anderen Bauteilen beziehungsweise Modellen fort. Bekommt der Golf einen neuen Stoßfänger verpasst, beträgt der Preisunterschied gar 149 Euro. Ähnlich sieht das Bild bei einem Ford Focus 1.6 Liter 92 kW / 125 PS, Baujahr 01/2013 aus. Da ist die Motorhaube beim Freien um 17 Euro billiger und die Frontschürze um 107,57 Euro.

Was neben der Mehrwertsteuer bei den ganzen Beträgen noch nicht erfasst ist, sind die Arbeitskosten, die bei freien Werkstätten im Regelfall geringer sind als die Sätze in den Vertragshändlern der Automobilhersteller, die zudem oft noch mit festgelegten Arbeitseinheiten operieren. Würde diese Reparaturklausel endlich fallen, wäre der Wettbewerb bei den Ersatzteilen noch stärker.

Laut dem GVA (Gesamtverband Autoteile-Handel) würden die Preise der sichtbaren Teile um 30 bis 40 Prozent fallen, wenn das Monopol der Fahrzeughersteller bei diesen Elementen gekippt würde. „Eine Liberalisierung würde auch in Deutschland für wettbewerbskontrollierte Preise sorgen“, erklärt GVA-Präsident Hartmut Röhl. Das sehen die Autohersteller naturgemäß ganz anders. „Studien und die praktische Erfahrung belegen, dass geringere Kosten bei Ersatzteilen nicht zu sinkenden Reparaturkosten für Verbraucher führen“, sagt Christian Treiber, verantwortlich für Marketing im Ersatzteilgeschäft bei Mercedes-Benz. „So verzeichnet etwa das Vereinigte Königreich seit Jahren den höchsten Preisanstieg bei Reparaturen, obwohl dort kein Designschutz für Ersatzteile besteht", so Treiber. Das Seltsame in dieser Argumentation: Dann bestünde doch eigentlich kein Grund mehr, den Designschutz weiter aufrechtzuerhalten.

Zwar haben die Automobilhersteller eine freiwillige Selbstverpflichtung abgeschlossen, nach der sie einen freien Wettbewerb zulassen, aber wenn es hart auf hart kommt, ist diese Absichtserklärung nicht das Papier wert, auf dem es steht. Wenn ein freier Händler dennoch nachgebaute Kotflügel in Deutschland produzieren lässt, kann es schon passieren, dass ein blauer Brief aus Wolfsburg, Stuttgart-Untertürkheim, München oder Ingolstadt ins Haus flattert.

Zwar behaupten die Hersteller, nur selten auf dieses Recht zu bestehen, aber wenn ihnen das Treiben zu bunt wird, greifen sie schon mal zum Juristen-Hammer. „In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Abmahnungen, zum Teil verbunden mit der Beschlagnahme von Warenlagern, durch Fahrzeughersteller gegeben. Mit solchen Abmahnungen konterkarieren Fahrzeughersteller die freiwillige Selbstverpflichtung, Designrechte nicht zur Behinderung des Wettbewerbs im Kfz-Ersatzteilmarkt einzusetzen. Ein solches Verhalten zeigt die Notwendigkeit für eine klare gesetzliche Regelung und unterstreicht die Wichtigkeit der Einführung einer Reparaturklausel für Kfz-Ersatzteile“, macht Hartmut Röhl vom GVA seinem Unmut Luft.

Doch die Autobauer bestehen auf den Schutz des geistigen Eigentums: „Es ist eine viel zitierte Wahrheit, dass sich die Unternehmen in Deutschland gerade durch ihre Innovationskraft auszeichnen und auf Dauer auch nur hierdurch im weltweiten Wettbewerb bestehen können. Eine der wichtigsten Voraussetzungen hierfür ist, das Unternehmen ihre technischen und kreativen Leistungen durch Rechte des geistigen Eigentums hinreichend absichern können“, sagt Mercedes-Mann Christian Treiber.

Immerhin: Gerade in China nehmen es die dortigen Hersteller mit dem Recht auf geistiges Eigentum wirklich nicht so genau. Doch nicht nur deshalb bekommen die Autohersteller auf dem für sie wichtigsten Weltmarkt Gegenwind. Chinas Behörden führten regelrechte Razzien bei Autoherstellern durch, weil der Verdacht auf illegale Preisabsprachen besteht. Mehrere Hersteller mussten Strafen zahlen und die Preise von Ersatzteilen senken.

Verstärkt wird die Monopolstellung der Autohersteller durch die Tatsache, dass immer weniger Reparaturen in Eigenregie ausführbar sind . Wechselte man früher mal schnell die Birne eines Frontscheinwerfers, muss heute dazu oft schon der Fachmann ran. Die Kosten steigen dementsprechend. Auch hier hatte die EU eigentlich anderes im Sinn: Laut der Ergänzung 07 der Richtlinie ECE 48, die seit August 2006 in Kraft ist, sollten kleinere Reparaturen an Leuchtmitteln mit Hilfe des Bordwerkzeuges und der Bedienungsanleitung durchführbar sein. Wer das bei einem LED-Scheinwerfer versucht, scheitert kläglich. Die modulare Bauweise der Autos hat auch zur Folge, dass nicht immer ein defektes Einzelteil, sondern gleich das ganze Element ausgetauscht werden muss. Ist der Stellmotor eines Scheinwerfers kaputt, wird nicht häufig mehr der defekte Antrieb ausgetauscht, sondern das gesamte Modul - mit dementsprechend saftigen Preisen.

Sonntag, 05.07.2015, 13:32 · von FOCUS-Autor Wolfgang Gomoll und FOCUS-Online-Redakteur Sebastian Viehmann

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen